Kleintierpraxis am Burgwald
  

Umgang mit Fundtieren in Niedersachen

Eine Information des Tierschutzausschusses der Tierärztekammer Niedersachsen

Grundsätzlich sind aufgefundene Tiere, die üblicherweise von Menschen gehalten werden, wie Hunde, Katzen, Ziervögel, landwirtschaftliche Nutztiere oder Tiere, die nicht den hier sonst wildlebenden Arten zuzurechnen sind, als Fundtiere einzustufen und zu behandeln.
„Die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände.“
(Art. 20a Grundgesetz)
Fundtiere unterliegen dem Fundrecht (BGB§965-984). Für den Finder oder die Finderin besteht die Pflicht, das aufgefundene Tier der zuständigen Fundbehörde (Gemeinde) anzuzeigen. Die zuständige Behörde ist zur Aufnahme und Betreuung des Fundtieres verpflichtet. Sie kann diese Aufgabe Dritten z.B. Tierschutzvereinen übertragen.
Voraussetzung für die Kostenübernahme ist die Anzeige des Fundes durch den Finder bei der Behörde (Tierart, Fundort, Uhrzeit).
Die Betreuungskosten schließen die notwendigen unaufschiebbaren veterinärmedizinischen Behandlungskosten ein wie Versorgung von Verletzungen und Behandlung akuter Erkrankungen. Die Abrechnung hat nach GOT zu erfolgen. Prophylaktische Maßnahmen wie z.B. Impfungen werden sich danach richten, wo das Tier anschließend untergebracht wird und sollten im Vorfeld mit der Fundbehörde abgeklärt werden. Gleiches Vorgehen empfiehlt sich auch bei diagnostischen Maßnahmen, aufwendigen Behandlungen und chirurgischen Eingriffen. Eingriffe zur Verhinderung der Fortpflanzung sind nicht erstattungsfähig!
Eine etwas andere Vorgehensweise findet bei Wildtieren, also herrenlosen Tieren, Anwendung. Hierunter fallen nicht Wildtiere, die in Gehegen gehalten werden. Generell dürfen Wildtiere nicht aus der Natur entnommen werden, es sei denn sie sind verletzt oder krank. Eine Kostenübernahmepflicht seitens der Gemeinde besteht nicht!
Zuständig sind Jagd- bzw. Naturschutzbehörde, als Ansprechpartner auch der Jagdausübungsberechtigter nur für Wildtiere, die unter das Jagdrecht fallen und ggf. die Polizei. Anerkannte Auffang- und Pflegestationen für verletzte Wildtiere können ebenfalls genutzt werden. Wird ein verletztes Wildtier jedoch von der Polizei oder der Ordnungsbehörde zum Tierarzt gebracht, so kommen diese Institutionen als Auftraggeber auch für die Kosten auf. In allen anderen Fällen sind, aufgrund nicht eindeutiger bzw. fehlender gesetzlicher Bestimmungen, Vereinbarungen mit den entsprechenden Institutionen ratsam. Im Falle einer notwendig werdenden Euthanasie werden die Kosten für die Beseitigung des Tierkörpers von Fund- und Wildtieren von der Gemeinde übernommen (Tierseuchenrecht).

Quellen:
Niedersächsisches Ministerium für
Den ländlichen Raum, Ernährung
Landwirtschaft und Forsten
Dr. H. Bottermann
Referat 24. Deutscher Tierärztetag Baden-Baden
Dr. Gerd Möbius
Inst. für Tierhygiene und Öffentl. Veterinärwesen
Der Veterinärmedizinischen Fakultät Leipzig

Wildtiere in der Tierarztpraxis- die rechtliche Sicht

Gerade schutzlose Jungtiere werden häufig als verlassen oder verwaist wahrgenommen, obwohl dies unter
Umständen nicht zutrifft. Wenn die "Helfer" diese dann in eine Tierarztpraxis bringen, stellen sich dort oft
Rechtsfragen: Was ist im Umgang mit Wildtieren erlaubt? Dürfen überhaupt behandelt werden? Welche Gesetze greifen? Damit beschäftigte sich Dr. Martin Straube vom Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelsicherheit in Offenburg (Ortenaukreis) auf dem bpt-Kongress 2018 in Hannover.
Keine gesetzliche Pflicht zur Versorgung hungernder Wildtiere Einleitend betont der Kollege, dass aus tierschutzrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit bestehe hungernde Wildtiere zu versorgen, da es nicht ungewöhnlich sei, dass der größte Teil der Nachkommen freilebender Wildtiere stirbt, bevor er die Geschlechtsreife erreicht. Gerade bei ungünstigen Wetterbedingungen würden kranke,
schwache oder junge Tiere regelmäßig in größerem Umfang sterben. Daher sei es tierschutzrechtlich kein
Problem, solchen Tieren nicht zu helfen, besonders wenn ihr Zustand ein Überleben unwahrscheinlich erscheinen lasse. Auch wenn es dem moralischen Empfinden vieler Menschen nicht entspreche, werde so eine natürliche Auslese im Sinne der Evolution betrieben. Fast alle einheimischen Wirbeltiere seien streng geschützt, daher sei eine Naturentnahme und der Besitz von Wildtieren laut § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes verboten. Verletzte, hilflose und kranke Tiere dürfen zwar aufgenommen und gesund gepflegt werden, sie müssen dann aber unverzüglich wieder freigelassen werden.
Die aktuelle Rechtslage Laut Dr. Straube ergibt sich damit folgende Rechtslage für aufgefundene Wildtiere:
Tierschutzrechtlich besteht keine Verpflichtung zur Hilfeleistung.
Artenschutzrechtlich besteht ein Verbot der Naturentnahme und des Besitzes.
Als Ausnahme dürfen Wildtiere nur zur Pflege aufgenommen werden, wenn sie tatsächlich verletzt, hilflos
oder krank sind.
Diese Ausnahme gilt nur, wenn es das Ziel ist, das Tier unverzüglich wieder freizulassen, sobald es sich
selbst erhalten kann. Somit stellt das (gutgemeinte) Aufsammeln von scheinbar hilfsbedürftigen Jungtieren einen Rechtsverstoß dar. Bei Wildtieren, die unter das Jagdrecht fallen, muss der zuständige Jagdausübungsberechtigte hinzugezogen werden, da nur er das Aneignungsrecht für die entsprechenden Tiere hat – ansonsten wäre der Tatbestand der Wilderei gegeben.
Ein Faltblatt zum Umgang mit Wildtieren hat auch die Hessische Landestierschutzbeauftragte zusammen
mit der Tierärztekammer Hessen herausgegeben.
Aufgenommene Wildtiere fallen unter Tierschutzgesetz.
Sobald ein Wildtier aus der Natur entnommen wird, wird es zum Heimtier und fällt unter das Tierschutzrecht.
Der Paragraph 1 des deutschen Tierschutzgesetzes lautet: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung
des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf, dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem
Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Vor allem alte Wildtiere, die ihr Leben
in Freiheit gelebt haben, können an erheblichem Stress leiden, wenn sie plötzlich in menschlicher Obhut gehalten werden. Dr. Straube betont, dass man in diesen Fällen kaum von „Wohlbefinden“ ausgehen könne. Wenn nicht zu erwarten sei, dass die Tiere wieder in die Freiheit entlassen werden könnten, mache die Haltung und Pflege keinen Sinn.
Der Paragraph 2 fordert eine artgerechte Haltung und Fütterung sowie die entsprechende Sachkunde der
betreuenden Person. Auch diese Forderungen dürften in den meisten Fällen kaum zu erfüllen sein. Aufgefundene Tiere müssen daher so schnell wie möglich in die Hände von sachkundigen Pflegepersonen gegeben werden.
Zudem gibt es für einige Artengruppen (z.B. Greifvögel und Eulen, Säugetiere) Fachgutachten, die festlegen, wie
eine entsprechende Tierhaltung nach Tierschutzkriterien aussehen muss. Bei Tieren, die länger als drei Monate
untergebracht werden sollen, ist eine Begründung notwendig, die mit dem Amtstierarzt abzustimmen ist. Diese
Anforderungen gelten sowohl für Privatpersonen als auch Pflege- und Auffangstationen.
Ausnahmegenehmigung für Dauerhaltung:
Die legale Haltung von Wildtieren, die im Anschluss an die Aufzucht oder Pflege nicht mehr ausgewildert werden können, bedarf einer Ausnahmegenehmigung. Gerade bewegungsaktive, explorative Arten wie Marder oder Eichhörnchen zeigen in Gefangenschaft schon nach kurzer Zeit Bewegungsstereotypien. Lassen sich
haltungsbedingte erhebliche Schäden oder länger anhaltende Leiden nicht vermeiden, dann besteht ein
vernünftiger Grund, das entsprechende Tier schmerzlos zu töten. Diese Situation kann zudem eine Straftat
darstellen, denn Paragraph 17 lautet: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer …
(2) einem Wirbeltier ...(b)länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche schmerzen oder Leiden zufügt.“
Fazit: Es besteht keine tierschutzrechtliche Verpflichtung Wildtiere aufzuziehen, zu pflegen und medizinisch zu
versorgen. Wird dies trotzdem angestrebt, muss die betreuende Person über ausreichende Sachkunde und
entsprechende räumliche Möglichkeiten verfügen. Das Ziel, das Tier innerhalb von drei Monaten wieder in die
Freiheit zu entlassen, muss realistisch sein. Ansonsten ist die baldige schmerzlose Tötung angezeigt.

Auf jeden Fall muss der Finder wissen, dass von dem Moment an, in dem er sich das Tier
„aneignet“, er volle Verantwortung und Haftung übernimmt und für anfallende Kosten aufzukommen hat.


Quellen:

wir-sind-tierarzt.de, 27.Dezember 2018

Vortrag von Dr. Martin Straube "Hauptsache Leben? - Rechtliches zur Wildtierpflege" , bpt-Kongress 2018,
Vortragsband

Auffangstationen:

Nabu Vechta: Unter 04441-931014  bei Greifvögel, Eulen, Schwalben und Mauersegler erreichbar

                           Unter 0443-2648 bei Enten, Gänse, Schwäne, Hühner, Tauben erreichbar

Fellnasenhilfe in Dinklage: Singvögel und Tauben (Facebook)

Igelhilfe Langförden: Am Alten Bahndamm 9 in 49377 Vechta. Erreichbar unter 0172-6889992

Fledermauszentrum BUND Region Hannover, Notfalltelefon Dr. Keil: 0157-30910222.

Fledermäuse, Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel der Tierärztlichen Hochschule Hannover, T: 0511 953 68 00 und 0511 953 62 01 (24-Stunden Notdienst)
Taubenrettung Hannover e.V., Tel. 0175 8266832 (ggf. SMS oder WhatsApp)


Ordnungsamt Stadt Dinklage: 04443 899180

Als Tierarztpraxis übernehmen wir, wo nötig und möglich, die medizinische Versorgung dieser Patienten, können aber die Pflege, das Aufpäppeln oder gar Wiederauswildern der Tiere nicht übernehmen. Wie schon oben geschrieben: Hier ist der Finder gefragt, der in dem Moment, als er das Tier mitnahm, die volle Verantwortung für seinen Schützling übernommen hat. Dazu gehört auch, dass alle anfallenden Kosten - im Zweifel auch für den Tierarzt - zu übernehmen sind.

 
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